Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in einem Schweizer KMU: der Weg der Vögeli AG

11      26.10.2023

Die Kreislaufwirtschaft gewinnt zunehmend an Bedeutung. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, nachhaltige Praktiken zu implementieren. Vögeli, eine nachhaltige Druckerei, hat diesen Weg eingeschlagen. In einem Interview mit Renato Vögeli, dem Geschäftsführer der Vögeli AG, und Julia Beyer, der Verantwortlichen für die Westschweiz, erhalten wir Einblicke in ihre Reise zur Kreislaufwirtschaft.

Wir freuen uns, dass Julia Beyer am 9. November auch an unserem Forum Kreislaufwirtschaft einen Vortrag über den Weg von Vögeli AG zur Kreislaufwirtschaft halten wird.

Unsere natürlichen Ressourcen sind nicht unendlich verfügbar, das ist Grund genug die Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Wir sind überzeugt, dass die Umsetzung mittel- und langfristig wirtschaftliche Vorteile bietet.

– Renato Vögeli, Geschäftsführer, Vögeli AG

Was hat euch dazu bewogen, die Aspekte der Kreislaufwirtschaft in der Vögeli AG zu integrieren, und welche Ziele verfolgt ihr dabei?

  • Renato: Wir sahen die Kreislaufwirtschaft als logische Konsequenz, um unser Unternehmen noch nachhaltiger aufzustellen. Unsere Eltern haben bereits nachhaltig gewirtschaftet, und wir wollten diese Tradition fortsetzen. Unsere Motivation war es, unser Unternehmen für die nächste Generation zukunftsfähig zu machen und ökologische Verantwortung zu übernehmen. Wir hatten bereits viel in den Bereichen Energie und Gebäudeeffizienz getan, und die Kreislaufwirtschaft war der nächste sinnvolle Schritt, um unsere Rohstoffe und Materialien besser zu nutzen.

Wie habt ihr die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft finanziert? Gab es externe Unterstützung oder Kooperationen, die euch dabei geholfen haben?

  • Renato: Die Umsetzung erforderte erhebliche Ressourcen und Investitionen von uns, darunter auch sehr viel Zeit von mir und meinem Bruder Markus. Wir haben zusammen mit unseren Mitarbeitenden viele Versuche gemacht, um neue Materialien zu testen. Und wir haben mit anderen Druckereien zusammengearbeitet (Print the change). Diese Zusammenarbeit hat uns neuen Schwung gegeben. Auch EPEA Switzerland hat uns mit Know-how und Netzwerkaufbau geholfen. Die Koordination und Überzeugung von Lieferanten sich den neuen Anforderungen anzupassen, erforderte ebenfalls Ressourcen.
  • Julia: Die gute Vorarbeit im Nachhaltigkeitsbereich hat uns geholfen, Kosten zu sparen, und den Cradle-to-Cradle-Zertifizierungsprozess erleichtert und. So waren wir die erste Druckerei weltweit die Cradle to Cradle Certified GOLD Drucksachen anbieten konnte. Die Zertifizierung bezieht sich auf den Produktionsprozess und nicht auf das gesamte Unternehmen. Das macht den Zertifizierungsprozess konkreter, schneller und kostengünstiger für Unternehmen.

Welche Vorteile bringt euch die Kreislaufwirtschaft?

  • Renato: Die Kreislaufwirtschaft ermöglicht es uns, unseren Kund:innen die nachhaltigsten Produkte anzubieten und unsere Mitarbeitenden können mit gesünderen Materialien arbeiten. Wir profitieren auch finanziell von der Wiederverwertung von Altpapier, das frei von schädlicher Chemie bleibt. Zudem ermöglicht die Kreislaufwirtschaft Pionierprojekte mit unseren Kunden umzusetzen, die ohne unser Know-how nicht möglich wären..

Unser Engagement schafft Resilienz in unserem Unternehmen, erweitert unsere Produktvielfalt und ermöglicht es uns, Fachkräfte anzuziehen und Talente zu halten. Sie eröffnet auch neue Geschäftsmöglichkeiten und unterstützt unsere langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

– Julia Beyer, Verantwortliche Westschweiz, Vögeli AG

  • Renato: Genau, denn durch unser Netzwerk und unsere Positionnierung haben  wir auch an Julia kennen gelernt, und konnten uns so Umwelt spezifische Kompetenzen ins Haus holen. Das hätten wir mit einer klassischen Rekrutierung kaum geschafft.

Welche konkreten Lösungen oder Projekte habt ihr umgesetzt?

  • Julia: Wir setzen uns bei allen Drucksachen dafür ein, dass sie wirklich kreislauffähig werden. Besonders die Produktion zukunftsfähiger Verpackungen finde ich ehrgeizig und wir gehen mit unseren Kunden realistisch und mit viel Experimentiergeist an die Anforderungen ran. Auch sensibilisieren wir zusammen mit unseren Kunden ihre Leser und Konsumenten. Ein konkretes Beispiel ist die wiederverwendbare Weihnachtskarte die wir mit der Agentur blossom entwickelt haben, und die die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und Recycling über das Papier und die Illustrationen kommuniziert.
  • Renato: Bei Cradle to Cradle sind die Lösungsansätze sehr konkret, nicht theoretisch. Wir haben zuerst unsere Materialien verbessert, um sie kreislauffähig zu machen. Wir sammeln Ausschussmaterial separat und betreiben einen eigenen Recyclingprozess, um Karton für spezielle Verpackungen oder Buchdeckel herzustellen. Teil unsers Altpapier geben wir an einen Möbelhersteller weiter, um die Langlebigkeit unserer Materialien sicherzustellen. Wir haben auch neue Produkte entwickelt, die positive Auswirkungen auf die Umwelt haben, wie zum Beispiel Karten zum Aussäen, mit Schweizer Samen für mehr Biodiversität.

Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung und wie habt ihr sie bewältigt?

  • Renato: Eine der grössten Herausforderung bestand darin, die richtigen Partner zu finden und sicherzustellen, dass wir nicht von einem einzigen abhängig sind. Das Netzwerk, die Partner und Lieferanten sind zentral, damit es langfristig funktioniert. Wir mussten auch Wege finden, Produkte effektiv wieder in den Kreislauf einzuführen. Das lineare Denken in der Wirtschaft und Gesetzgebung ist und bleibt eine zusätzliche Hürde.
  • Julia: Wir mussten und müssen immer noch viele Tests durchführen, und die Kompetenzen unserer Mitarbeitenden weiter spezialisieren, um mit den ökologischen Materialien weiterhin die beste Qualität anbieten zu können, für die wir bekannt sind. Es war also wichtig, von Anfang an unsere Mitarbeitenden über die Herausforderungen zu informieren und zusammen an den Lösungen zu arbeiten.

Wie haben Kunden und Geschäftspartner auf eure Bemühungen reagiert?

  • Renato: Unsere Lieferanten haben unsere Bemühungen unterstützt, und auf Kundenseite haben wir sehr positive Reaktionen erlebt. Unsere Kunden schätzen unsere Innovationsführerschaft und bieten uns neue Geschäftsmöglichkeiten.

Wie messt ihr den Erfolg eurer Massnahmen?

  • Renato: Wir verwenden sowohl die klassischen Kennzahlen, wie den CO2-Ausstoss, erneuerbare Energien und Wasserverbrauch, als auch jene aus der Cradle to Cradle-Zertifizierung. Dabei geht es spezifisch um die verschiedenen Substanzen in den Materialien, und ihrer Sicherheit für die biologischen Kreisläufe, d.h. für Mensch und Natur.
  • Julia: Wir betrachten auch den Prozentsatz unserer Cradle-to-Cradle-Produkte, der jährlich zunimmt, und hoffentlich bald 100% erreicht Qualitatives Feedback und die Sichtbarkeit unserer Bemühungen sind ebenfalls wichtige Erfolgsindikatoren.

Welche langfristigen Ziele habt ihr?

  • Renato: Wir möchten die Kreisläufe weiter schliessen und sicherstellen, dass unsere Produkte nur mit anderen reinen Produkten im Kreislauf vermischt werden. Wir arbeiten an Projekten mit Kunden, um ihre Produkte im Kreislauf zu halten, und streben an, in Zukunft alle unsere Produkte nach Cradle to Cradle herstellen zu dürfen. Langfristig wollen wir die Produktionsmöglichkeiten noch weiter verbessern, um einen nochgrösseren Beitrag zu leisten.

Wie seht ihr die Zukunft der Kreislaufwirtschaft und die Rolle von KMUs?

  • Julia: KMUs sind oft agiler und können schneller handeln und etwas testen. Finanziell kann es zu Beginn eine Herausforderung sein, aber die Schwankungen und Unsicherheiten müssen in Kauf genommen werden, das ist besser als den Schwankungen und Krisen ausgeliefert zu sein, die ohnehin auftreten. Es bringt die Möglichkeit, breiter aufgestellte Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und den Fachkräftemangen in der Region zu mildern.
  • Renato: KMUs spielen eine wichtige Rolle in der Kreislaufwirtschaft und können dies als neuen Chance nutzen. Die Kreislaufwirtschaft erfordert nicht nur technische Anpassungen, sondern auch ein Umdenken in Bezug auf Geschäftsmodelle und die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette. Kreislaufwirtschaft muss nicht ein Riesenprojekt sein, sondern kann sinnvoll innerhalb eines KMUs oder regional betrieben werden. Politische Unterstützung und regionale Netzwerke sind wichtig. Unsere natürlichen Ressourcen sind nicht unendlich verfügbar, das ist Grund genug die Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Wir sind überzeugt, dass die Umsetzung mittel- und langfristig wirtschaftliche Vorteile bietet.

Vögeli AG ist ein Familienunternehmen mit rund 50 Mitarbeitenden. Heute produziert die Vögeli AG Drucksachen wie Broschüren, Magazine oder Geschäftsberichte, sowie auch Verpackungen, als schweizweit einzige Druckerei mit einer Cradle to Cradle Certified™ GOLD Zertifizierung.

Vögeli AG ist Partner der Drehscheibe Kreislaufwirtschaft (by Swiss Recycle) und setzt sich proaktiv für die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz ein.

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