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Blockchain als Chance für die Kreislaufwirtschaft

1      15.10.2021

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Gerade in der heutigen Zeit, wo die Wertschöpfungsketten immer komplexer und vielfältiger werden, bietet die lückenlose Vertrauenskette von der Produktion bis zum Verbraucher zahlreiche Möglichkeiten und Chancen – bezogen auf Produkte, Inhaltsstoffe und Materialien.

Einführung

„Eine Blockchain ist eine Datenbank, welche über ein Netz von Computern verteilt ist. Sobald ein Datensatz zur Kette hinzugefügt wurde ist es sehr schwierig, ihn zu ändern. Um sicherzustellen, dass alle Kopien der Datenbank identisch sind, macht das Netzwerk konstant Checks. Blockchains sind die Basis für Kryptowährungen wie Bitcoin, aber viele weitere Anwendungen zeichnen sich ab.“ - Maryanne Murray, Reuters (2018)

BlockChain System Grafik mit Computer im Netzwerk
Verteiltes Netzwerk von Computern mit gemeinsamer Informationsquelle.

Die Blockchain ist ein verteiltes Netzwerk von Computern (Knoten), die eine gemeinsame Informationsquelle haben. Im Gegensatz zum heute vorherrschenden System, z.B. dem Finanzsystem mit zentralen Behörden, basiert die Blockchain auf dem direkten Kontakt zwischen den Parteien (peer-to-peer). Das heisst, der Nutzer ist für die Abwicklung der Transaktion nicht mehr auf Zwischeninstanzen bzw. «Trusted Third Parties» wie beispielsweise Staaten oder Banken angewiesen. Die Transaktionsdaten sind dabei unveränderlich. So wird sichergestellt, dass die Transaktion bei der gewünschten Zielperson landet und nicht nachträglich verändert werden kann.

Die Datenbank Blockchain besteht aus mehreren aneinandergereihten Datenblöcken, welche unzertrennbar aneinandergekoppelt sind. Sie baut auf zwei Schlüsselkonzepten auf: Hashes und Blocks.
«Hashes» bezeichnen eine mathematische Funktion. Sie geben den Daten einen einmaligen Fingerabdruck und machen Sie somit fälschungssicher.
Aus einem Hash lassen sich die Originaldaten schwierig ableiten. Hashes sind also nicht umkehrbare Verschlüsselungsfunktionen.
 
Die „Blocks“ (dt. Blöcke) bündeln die bestätigten und verifizierten Informationen, wobei jeder neue Block zudem den Hash des vorhergegangenen Blocks enthält.
Der Begriff „Chain“ kommt von der Kette, zu der die Blöcke in chronologischer Reihenfolge hinzugefügt werden. Die verteilte Transaktionsdatenbank wächst also durch das Aneinanderreihen der digitalen Blöcke und nichts kann rückwirkend verändert oder entfernt werden. Alle Teilnehmer des Netzwerks besitzen eine vollständige Kopie der kompletten Datensatzhistorie in ihrem lokalen Speicher.
Die Blockchain ist also eine Art digitales Logbuch (Ledger), welche alle Daten chronologisch mit Zeitstempel erfasst. Durch die Verteilung über mehrere Systeme und Teilnehmer (Knoten) entsteht Transparenz und kein „single point of failure“, also einen zentralen Punkt, bei dessen Angriff oder Ausfall das System gefährdet wäre. Im Gegenteil, den Systemen wird eine hohe Resilienz zugesprochen.

Fingerabdruck mit Zahlencode daneben
Hashes sind digitale Fingerabdrücke.

Wozu ist Blockchain geeignet?

Die Unveränderbarkeit der Daten und damit die sichere Transaktion im Netz zeichnet die Blockchain aus (Datenintegrität). Heute sind meistens Zwischenakteure, sogenannte Intermediäre, zwischengeschaltet. Die Blockchain ermöglicht eine direkte (peer-to-peer) Abwicklung zwischen zwei Parteien ohne eine Drittpartei (Disintermediation). Das ist effizienter, sicherer und ermöglicht Automationen wie beispielswiese automatisch ausgelöste Verträge („Smart Contracts“).

Die Blockchain eignet sich also für Anwendungen, bei denen netzwerkbasierte Geschäftsmodelle zum Einsatz kommen sollen. Sie zeichnet sich aus durch Transparenz, Effizienz und Vertrauen.

Anwendungsbeispiele

Obwohl die Blockchain bisher vor allem durch den Finanzsektor Bekanntheit erlangt hat, beschränkt sie sich keineswegs darauf. Die Technologie macht es möglich, mehrstufige Transaktionen rückverfolgbarer und vertrauenswürdiger zu machen. Gerade der Bereich der Wertschöpfungskette ist ein erwähnenswerter Anwendungsfall. Die Blockchain kann genutzt werden, um Verträge zu unterzeichnen, die Produktherkunft zu überprüfen und grundsätzlich die Qualitätsthematik sowie Rückverfolgbarkeit der Kreisläufe zu verbessern.

Beispiele wie das dilotprojekt zum Plastikrecycling in Kanada (reciChain) oder die blockchain-basierte Traceability-Lösung für Kunststoffkomponenten (Circularise) verdeutlichen, dass in der Recycling- und Kreislaufwirtschafts-Branche bereits erste Initiativen in Richtung Blockchain vorhanden sind, das Thema aber weitestgehend noch in seinen Kinderschuhen steckt.

Weitere Informationen zu den konkreten Anwendungsbeispielen der Blockchain in der Wertschöfpungskette finden Sie am Ende des Dokuments bei den weiterführenden
Links.

Nachteile und Grenzen der Blockchain

Die Blockchain-Technologie hat also enormes Potenzial, digitale Prozesse effizienter zu gestalten. Noch ist sie aber mit regulatorischen und technischen Herausforderungen verbunden.

Der unsichere regulatorische Rahmen schafft viele Grauzonen und Einzelfallentscheidungen, die grosse Unsicherheiten erzeugen. Technische Herausforderungen bestehen insbesondere bei der Skalierbarkeit einzelner Blockchains. Gemeint ist hier, dass der Proof of Work Mechanismus bei höherem Transaktionsvolumen nicht haltbar ist. Hinzu kommt, dass zur Gewährleistung der Sicherheit vor Manipulationen ein aufwändiges Verfahren nötig ist und die Transaktionsgeschwindigkeit dadurch leidet. Mit jedem weiteren Block wächst die Blockchain und damit auch der Speicher- und Energieaufwand.

Möglichkeiten und Ausblick

Gerade in der heutigen Zeit, wo die Wertschöpfungsketten immer komplexer und vielfältiger werden, bietet die lückenlose Vertrauenskette von der Produktion bis zum Verbraucher zahlreiche Möglichkeiten und Chancen – bezogen auf Produkte, Inhaltsstoffe und Materialien. Die Blockchain kann die Sammlung, Analyse und Berichterstattung von Daten über den gesamten Produktlebenszyklus und die Wertschöpfungskette unterstützen und automatisieren. Sie ermöglicht die lückenlose Nachvollziehbarkeit bis zum Ziel, schafft dadurch Vertrauen zwischen den Akteuren und wickelt Transaktionen transparent und sicher ab. Die Informationen über die Zusammensetzung und Herkunft der Produkte ermöglicht auch den Wiedereinsatz und die Wiederverwendung der Materialien. Gerade weil oftmals Informationsdefizite bestehen (z.B. bzgl. Qualität und Mengen von Rezyklaten, fehlende Informationen zu Additiven, Wissen und Wahrnehmung der Kunden) kann die Blockchain hier Abhilfe zur stärkeren Umsetzung der Kreislaufwirtschaft bieten.

Die Möglichkeiten reichen von der Integration einzelner Teilaspekte der Blockchain-Anwendung bis hin zu einem vollautomatisierten System.

Akteure der Wertschöpfungskette

Die Produzenten oder Importeure können Qualitätsangaben der Produkte direkt in der Blockchain festhalten. Dies auch ohne, dass die Konkurrenz Rückschlüsse auf die eigene Produktionstechnologie ziehen kann. Entscheidend ist hier auch die Skalierbarkeit: Es können sowohl ganze Chargen aber auch einzelne Produkte oder Produktkomponenten erfasst werden. Beispielsweise können einzelne Staubsauger, aber auch dessen einzelnen Komponenten (mit unterschiedlicher Zusammensetzung) erfasst werden.

Auch der stetig wachsende Bedarf an Informationsflüssen, wie beispielsweise die Verortung und den Zustand von Gütern, Zahlungsströmen und Daten für die Echtzeitsteuerung von Produktionsstätten und Materialflusssystemen ist für diverse Akteure interessant, insbesondere für Importeure, Transporteure und Zollbehörden.

Die Verbraucher erhalten Informationen darüber, wie das Produkt hergestellt wurde und welchen Weg es bereits hinter sich hat. Das schafft Sicherheit, Transparenz und Vertrauen. Gerade auch im Bereich der Kreislaufwirtschaft, wo vermehrt auf die Wiederverwendung von Produkten und verlängerte Lebenszyklen gesetzt wird, kann dies ein entscheidender Vorteil sein: Dank hinreichender Sicherheit und Informationen über die Qualität des Produkts wissen potenzielle Kunden, wie lange das Produkt noch taugen wird. Dadurch ist der Anreiz zur Nutzung/zum Kauf von gebrauchten Gütern deutlich höher (Beispiel: Occasion-Autos).

Beim Konsumenten und Verbraucher entstehen durch die Nutzung oft Informationsbrüche. Diese lassen sich durch die Blockchain-Technologie schliessen. So erhalten auch die nachgelagerten Akteure der Wertschöpfungskette die nötigen Informationen zu Herkunft, Inhalt und Zusammensetzung des Produkts und/oder der Verpackung.

Die Sammelstelle interessiert dabei vor allem die Zuordnung, der Materialwert und die Gefahren. Der Transporteur will wissen, was genau transportiert wird, insbesondere auch bezogen auf die Gesetzeskonformität. Der Recycler wiederum interessiert sich vor allem für die Zusammensetzung und mögliche Gefahren des Gutes. Gerade weil diese Informationen vorhanden sind, lassen sich die Wertstoffe auch entsprechend sauber trennen und dank entsprechender Qualität als Sekundärprodukte wiedereinsetzen. Somit wird dann die Kette fortgesetzt und beginnt einen erneuten Kreislauf durch die verschiedenen Akteure der Wertschöpfungskette. Entsorgungs- und Recyclingunternehmen werden so zu vertrauenswürdigen Rohstofflieferanten von Sekundärrohstoffen.

Tabelle 1: Akteure der Wertschöpfungskette und deren Möglichkeiten

Produzent/Importeur

Qualitätsangaben

Parallelimporte

Recyclingsysteme

Erfassung aller Produkte

Parallelimporte (Trittbrettfahrer)

Zoll

Erfassung (was kommt rein, was geht raus?)

Transporteur

Was genau transportiere ich? Verantwortung, Gesetz (ADR/SDR)

Verbraucher 1

Qualität, Original (Herkunft & Vertrauen)

Verbraucher 2

Qualität, Original (Herkunft & Vertrauen

Sammelstelle

Zuordnung, Materialwert, Gefahren

Transporteur

Was genau transportiere ich? Verantwortung, Gesetz (ADR/SDR)

Recycler

Zuordnung, Materialwert, Gefahren, für Verbraucher: Eliminierungssicherheit

Die Blockchain ermöglicht eine übergreifende Abstimmung und Kommunikation zwischen den Akteuren der Wertschöpfungskette. Abschliessend lässt sich also sagen, dass die Technologie für die immer komplexer werdende Wertschöpfungskette und Produktezusammensetzung grosses Potenzial bietet, das bisher weitestgehend unausgeschöpft ist. Die Entwicklungen in den nächsten Jahren werden zeigen, wo die Technologie hinführt.

Links und weiterführende Informationen

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