Kreislaufwirtschafts-Mythen - Wahrheit oder falsche Vorstellungen?
9 06.10.2021
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Mythos 1
«Kreislaufwirtschaft ist Recycling in geschlossenen Kreisläufen.»
Stimmt nur zum Teil. Die Kreislaufschliessung mit Recycling ist wichtig, weil nur die hohe Qualität der Sekundär-Rohstoffe zu einem sinnvollen Einsatz und der entsprechenden Nachfrage führt. Dies hat auch mit regenerativen Ressourcen und Permanenten Materialien zu tun. Zudem geht die Kreislaufwirtschaft übers Recycling hinaus: Wiederverwenden, Weiterverwenden, Teilen, Reparieren sind hier nur einige Stichworte zur Schliessung von Kreisläufen.
Weitere Informationen zu den verschiedenen «RE-Strategien» finden Sie in unserem Glossar
Mythos 2
«In der Schweiz passiert nichts zum Thema Kreislaufwirtschaft.»
Gerade aufgrund des hohen Wohlstandsniveaus in der Schweiz, besteht ein überdurchschnittlicher Ressourcenverbrauch (Quelle: BAFU). Diesem kann die Kreislaufwirtschaft entgegenwirken.
Seit geraumer Zeit sind viele Initiativen rund um Kreislaufwirtschaft entstanden. Im Rahmen der Drehscheibe arbeitet die Industrie zum Beispiel an der Optimierung der Rezyklierbarkeit. Verschiedene Guidelines zum Design-for-Recycling wurden ausgearbeitet und ein ganzheitliches Indikatoren-/Zielsystem vorangetrieben.
Gewisse Kreisläufe sind bereits heute (teilweise) geschlossen. Etwas mehr als die Hälfte der Siedlungsabfälle wird separat gesammelt und stofflich verwertet. Von den Rückbaumaterialien Beton, Kies, Sand, Asphalt und Mauerwerk wurden 2018 beispielsweise fast 70% wiederverwertet. (Quelle: BAFU).
Mit diversen Initiativen und Motionen, ist das Thema auch auf der politischen Agenda angelangt (siehe hier).
Mythos 3
«Plastik ist schlecht und sollte darum vermieden werden.»
Kunststoff bietet sowohl Vor- als auch Nachteile. So ist dieser beispielsweise leichter, verformbar, hitzebeständig und flexibel einsetzbar. Durch diese Materialeigenschaften lässt sich z.B. im Transport CO2 sparen (optimierte Logistik), aber auch die Schutzfunktion einer Kunststoff-Verpackung ist entscheidend für die Haltbarkeit eines Lebensmittels (Verminderung Foodwaste). So macht die Ökobilanz einer Lebensmittelverpackung meistens auch weniger als fünf Prozent des gesamten Umwelt-Impacts des Produkts aus. Viel wichtiger ist das Produkt selbst. Insgesamt reduziert die Schutzfunktion einer Verpackung durch den Schutz des Inhalts mehr CO2 als dass sie verbraucht.
Die Frage ist auch, wo die gebrauchten Verpackungen dann landen. Die Schweiz verfügt über ein gut funktionierendes Abfallmanagement und ein vergleichsweise geringes Littering. Die nicht recyclebaren Produkte und Verpackungen werden grossmehrheitlich thermisch verwertet. Dadurch wird verhindert, dass Kunststoff exportiert und im Ausland deponiert oder sogar in der Umwelt landet.
Langfristig sollten Kunststoffverpackungen oder -Produkte so designt werden, dass es möglich ist, sie zu rezyklieren (Design for Recycling) und wo immer möglich Rezyklat hoher Qualität einzusetzen. Heute werden bei Plastikverpackungen oftmals Additive oder Verbunde aus verschiedenen Kunststoffarten eingesetzt, die später nicht mehr getrennt und daher nicht sinnvoll recyclet werden können. Bei gegebener Rezyklierbarkeit kann auch ein Recyclingsystem aufgebaut werden und die Produkte mehrmals rezykliert werden (z.B. PET-Getränkeflaschen).
Weitere Infos zu Kunststoffverpackungen finden Sie auch auf der Website des BAFU und deren Faktenblatt.
Mythos 4
«Verpackungen sind überflüssig.»
Verpackungen sind für den Konsumenten überflüssig, sobald die Inhalte aufgebraucht sind.
Davor haben sie allerdings zahlreiche Funktionen: Sie bieten Produkten Schutz, erleichtern die Handhabung, vermitteln Informationen und ermöglichen eine optimierte Logistik (Transport und Lagerung).
Für eine umfassende ökologische Bewertung von Verpackungen muss der gesamte Lebenszyklus (Materialkreislauf, Gebrauch und Verwertung) betrachtet werden. Insbesondere die Schutzfunktion in der Gebrauchsphase (z.B. reduzierte Lebensmittelabfälle, vermiedener Produktschaden) ist in vielen Fällen der wichtigste Aspekt in einer Ökobilanz. Zudem muss die Verpackung und das verpackte Produkt als Gesamtsystem verstanden und alle relevanten Umweltwirkungen müssen berücksichtigt werden.
Ideal ist es, wenn Verpackungslösungen sowohl sehr guten Produktschutz als auch hohe Materialeffizienz und gute Rezyklierbarkeit miteinander verbinden. Oft bestehen hier aber Zielkonflikte, die es bereits bei der Konzeption zu beachten gibt.
Mythos 5
«Papier-Verpackungen sind besser als Plastikverpackungen.»
Papier ist nicht grundsätzlich besser als Plastik. Es gilt die konkreten Anwendungen zu vergleichen. Plastik ist sehr leicht, braucht somit weniger Material. Papier ist biobasiert, somit nachwachsend, braucht aber Wasser und Energie bei der Herstellung.
Nicht nur der Material- und Energieaufwand der Produktion ist entscheidend, sondern auch die Materialzusammensetzung, Rezyklierbarkeit und das Verhalten der Konsument:innen. Deshalb soll die Zirkularität einer Verpackung oder eines Produkts immer ganzheitlich betrachtet werden.
Bestimmte Papier- und Kartonverpackungen können nicht rezykliert werden, z.B. wegen ihrer Beschichtung (Tiefkühlprodukte) oder weil sie nach Gebrauch verschmutzt sind (Take-Away-Schachteln, Pizzaschachteln). Mehr Informationen zu Positiv- und Negativlisten des Papierrecyclings beim Verein „Recycling Papier + Karton“
Dieses Faktenblatt gibt weitere Auskünfte zur Rezyklierbarkeit von Verpackungen.
Mythos 6
«Kreislaufwirtschaft lohnt sich (finanziell) nicht.»
Falsch. Die Kreislaufwirtschaft ist eine Chance und lohnt sich sowohl für Unternehmen, für die Konsumenten als auch für die Volkswirtschaft insgesamt. Gerade für Unternehmen kann dies aber umfassende Anpassungen erfordern, weshalb die strategische Verankerung umso wichtiger ist (siehe Workshop).
Durch neue Geschäftsmodelle, weniger Abhängigkeit von Lieferanten und globalen Wertschöpfungsketten, mehr Ressourcensicherheit, Kosten- und Emissionssenkungen, Innovationen sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und neuen Märkten birgt die Kreislaufwirtschaft nicht nur ökologisches, sondern auch grosses ökonomisches Potential.
Auch für die Konsumenten lohnt sich die Kreislaufwirtschaft. So werden Produkte beispielsweise länger haltbar, reparierbar oder können wiederverwendet werden. Durch neue Geschäftsmodelle wie Mieten statt Kaufen liegt der Fokus auf dem Nutzen statt dem Besitzen.
Mythos 7
«Kreislaufwirtschaft funktioniert in der Theorie, aber nicht in der Praxis.»
Im Gegenteil, die Kreislaufwirtschaft ist stark auf Praxis ausgerichtet. Während in der Theorie noch über die genaue Definition diskutiert wird, bestehen in der Praxis bereits seit Jahren zahlreiche, erfolgreiche Umsetzungsbeispiele: Von Secondhand-Shops, Brockenstuben, Sharing-Plattformen, Repair-Cafés bis hin zum altbekannten Recycling.
Mythos 8
«Als Konsument:in/Individuum kann ich nicht zur Kreislaufwirtschaft beitragen.»
Jeder und jede kann zur Kreislaufwirtschaft beitragen, in dem Konsumentscheide nachhaltig gefällt werden.
Gegenstände und Geräte können beispielswiese repariert, geteilt und wiederverwendet werden. Aber auch bewusste Kaufentscheide, z.B. für Produkte oder Verpackungen aus recyceltem Material, tragen zur Kreislaufwirtschaft bei. Auch indem Produkte, die nicht mehr genutzt werden können, separat gesammelt und recycelt werden, trägt man zur Schliessung des Kreislaufs bei.
Ausserdem kann man das Thema auch aktiv im Unternehmen, bei Freunden und Familie einbringen und so zu mehr Bewusstsein und allenfalls innovativen, neuen Ideen und zirkuläreren Prozessen führen.
Weitere Ideen und Handlungsempfehlungen für Konsumenten und Unternehmen finden Sie hier.
Mythos 9
«Zuerst müssen alle Materialien rezykliert werden, bevor wir mit der Kreislaufwirtschaft beginnen können.»
Das Recycling ist ein Bestandteil der Kreislaufwirtschaft und ein funktionierendes Recycling-System ist sicherlich eine Voraussetzung. Aber das bedeutet nicht, dass die Kreislaufwirtschaft erst dann beginnt, wenn alle Materialien zu 100% rezykliert werden können. Teilweise ist es auch gar nicht sinnvoll alle Materialien vollständig zu rezyklieren. Die stoffliche Verwertung ist nur dann zu bevorzugen, wenn sie sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll ist.
Die Ideen der zirkulären Wirtschaft könnten auch an anderen Stellen ansetzen, beispielsweise bei der Nutzung. Indem beispielsweise ein Produkt wiederverwendet oder repariert wird, kann dessen Lebenszyklus verlängert werden.
Diese ganzheitlichen Überlegungen sind wichtig beim Weg zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
Mythos 10
«Kreislaufwirtschaft ist gleichbedeutend mit einer nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft. »
Obwohl die Kreislaufwirtschaft oftmals mit Nachhaltigkeit gleichgesetzt wird, ist sie dies nicht zwingend. Denn damit das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt wird und damit eine nachhaltigere Entwicklung angestrebt wird, geht es nicht einfach darum sämtliche Kreisläufe zu schliessen.
Es geht vielmehr darum, alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Gesellschaft und Wirtschaft), Rebound Effekte (wenn Ressourceneffizienz zu mehr Konsum und damit verbundenen negativen Umwelteinflüssen führt) und Zielkonflikte (zwischen den Nachhaltigkeitsdimensionen, zwischen Kosten, Qualität und Convenience etc.) zu berücksichtigen.
Auch Aspekte der Vermeidung, also das Produkt gar nicht erst produzieren oder den Abfall nicht anfallen zu lassen, sind entscheidend.
Deshalb ist es wichtig, immer ganzheitliche Entscheide, die sowohl Zirkularität aber auch z.B. Klimaschutz, auf fundierten (wissenschaftlichen) Fakten zu treffen.