Faserbasierte Verpackungen in der Schweiz: Status Quo und Zukunftsperspektiven

3      03.03.2025

Kreislaufwirtschaft   ––   Firmen

Die Sammelmenge und auch die Sammelqualität von Papier und Karton sind in der Schweiz traditionell hoch. Der herkömmliche Papier- und Karton-Recyclingstrom in der Schweiz umfasst dabei insbesondere Papier- und Karton-Produkte, z.B. Zeitungen, Kartonschachteln, etc., und weniger faserbasierte Leichtverpackungen (LVP). Die meisten Papier- und Kartonleichtverpackungen, welche in Direktkontakt mit Lebensmittel kommen, werden nicht separat gesammelt, sondern über den Hauskehricht den KVAs zur thermischen Verwertung zugeführt. Eine Ausnahme bilden Getränkekartons, die zwar gemäss verschiedenen Definitionen auch zu den faserbasierten Leichtverpackungen zählen, in der Schweiz aber eine Recycling-Lösung in Sicht ist.

Zwei-Strom-System

Gemäss europäischen Guidelines (z.B. 4evergreen) wird ein zwischen zwei Sammelsystemen für Papier und Karton Produkte und Verpackungen unterschieden (siehe Bild). Im «Papier- und Karton»-Strom werden Papier und Karton-Produkte gesammelt und in Standardfabriken und Deinking-Mühlen dem Recycling zugeführt. Beim LVP-Strom werden Leichtverpackungen gesammelt, welche in spezialisierten Fabriken rezykliert werden. Dieses Zwei-Strom-System gibt es so nicht ganz in der Schweiz. Während sich die herkömmliche Papier- und Karton-Sammlung (Zeitungen, Kartonschachteln etc.) in den Gemeinden dem ersten Strom zuweisen lässt, muss man beim zweiten Strom stärker differenzieren. Mit RecyPac ist ein Recyclingsystem für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons im Aufbau. Weitere faserbasierte Verpackungen, wie Lebensmittelverpackungen aus Papier oder Karton, werden hingegen kaum gesammelt oder recycelt.

4evergreen Guidance, 2024

Getränkekartons: Eine Lösung in Sicht

Für Getränkekartons ist in der Schweiz eine Lösung im Aufbau. Gemeinsam mit Kunststoffverpackungen werden sie in einem gemischten Sack gesammelt und anschliessend sortiert und recycelt. Getränkekartons bestehen aus mehreren Schichten (Fasern, Kunststoff, Aluminium) und sind technisch hochgradig recycelbar und werden im Ausland in dafür spezialisierten Anlagen stofflich verwertet.

Die Fasern aus Getränkekartons werden bereits heute zu hochwertigen Sekundärprodukten wie Kartonschachteln oder Papierrollen weiterverarbeitet. Auch das Polyethylen und Aluminium aus dem Getränkekarton werden recycelt und für neue Produkte wie zum Beispiel Seifenspender genutzt.

In der Schweiz werden derzeit nur ca. 10 % dieser Verpackungen fürs Recycling gesammelt. Mit der neuen Branchenlösung RecyPac soll dies verbessert werden. Das Ziel ist eine Recyclingquote von 70 % bis 2030.

Der Verein Getränkekarton-Recycling Schweiz (GKR) bietet in Zusammenarbeit mit FBCA einen Standard für die technische Recyclingfähigkeit von faserbasierten Verpackungen an. Für weitere Details kontaktieren Sie den Verein GKR.

Weitere faserbasierte Verpackungen: Herausforderungen und Chancen

Durch technische Innovationen entstehen zunehmend faserbasierte Leichtverpackungen, die Kunststoff ersetzen oder mit diesem kombiniert werden. Politische Vorgaben, wie die EU-Verordnung zur Verpackung und Verpackungsabfällen (PPWR), fördern diesen Wandel hin zu recyclingfähigen Verpackungen mit einem niedrigen Kunststoffanteil (< 5 %).

Allerdings gibt es aktuell keine einheitlichen Zahlen zum Verpackungsaufkommen in der Schweiz. Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass dort 2021 rund 308.700 Tonnen Papier- und Karton-Verbundverpackungen angefallen sind.

Ein Problem für die Verwertung ist jedoch die Reinheit der Sammelfraktion. Da faserbasierte Leichtverpackungen oft mit Kunststoff kombiniert werden oder Verschmutzungen aufweisen, sind sie für bestehende Papier- und Kartonverwerter in Standardmühlen ungeeignet und stören den Recyclingprozess. Daher gelten sie in der Schweiz aktuell im klassischen Papierstrom als Fehlwürfe und werden meist thermisch verwertet. (vgl. Whitepaper Recyclingfähigkeit Papier und Karton).

Aufgrund der Zunahme dieser Verpackungen, technologischen Entwicklungen, D4R-Bemühungen und zum Schutz des qualitativ hochwertigen bisherigen Papier- und Karton-Sammelstroms gilt es deshalb zu evaluieren, was zukünftig mit diesen Leichtverpackungen geschehen soll. Es soll geprüft werden, in welcher Form eine erweiterte Sammlung (z.B. über die bestehenden Kanäle) und Verwertung dieser Verpackungen möglich und sinnvoll ist.

Fazit und nächste Schritte

Um die Recyclingfähigkeit faserbasierter Leichtverpackungen (ausser Getränkekartons) zu verbessern, hat Swiss Recycle gemeinsam mit realcycle ein Projekt zur realen Recyclingfähigkeit von Papier- und Karton-Leichtverpackungen angestossen: Der Status Quo wird analysiert und Zukunftsszenarien und Empfehlungen für die reale Recyclingfähigkeit dieser Verpackungen in der Schweiz entwickelt. Ziel ist es, konkrete Empfehlungen für den Umgang mit diesen Verpackungen in der Schweiz zu erarbeiten, die heute grösstenteils verbrannt werden.

PS: In der Verpackungsentwicklung grundsätzlich gilt natürlich ein ganzheitlicher Ansatz: Neben der Recyclingfähigkeit spielen auch weitere Aspekte des Öko-Designs wie Rohstoffverwendung und Umweltwirkungen eine Rolle. Gerade deshalb zählt der Getränkekarton beispielsweise schon heute zu den nachhaltigsten Verpackungen (siehe Ökobilanz schweizerische Getränkebranche) – mit einem ausgeweiteten Recyclingsystem kann diese Bilanz noch verbessert werden. Am meisten Potenzial liegt meist aber sowieso nicht bei der Verpackung, sondern bei dem verpackten Produkt selbst.


Falls Sie Interesse haben, am Projekt mitzuwirken, melden Sie sich bei uns.

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